Keine Panik, allet jut:
Der Löwe war ein Wildschwein!
Die ganze Stadt, ach was, die Welt fragte sich zwei Tage lang: is dit erlobt? Jawoll, das war mal erlaubt, zumindest vor 30 Jahren, sogar mitten in Berlin. Wie mein Bericht in der ZEIT (mein erster ZEIT-Artikel) vom 13. November 1992 zeigt:
»Pascha gesucht!
Löwin Elsa mag nicht mehr alleine sein«
Unglaublich aber wahr: Zumindest erstaunlich was vor nur 30 Jahren noch möglich war in Berlin – private Löwenhaltung mitten im Berliner Wohngebiet. Wie die Zeiten sich ändern! Und auch die Autorin… (die hier noch über einen »exzentrischen Tiernarren« und sein Haustier schreibt). Das aus heutiger Sicht noch viel Verrücktere war: Für die alleinstehende Löwin, bekanntlich ein Rudeltier, sollte damals aus Tierschutzgründen (!) ein männlicher Partner gesucht werden. Rudelbildung mitten in Pankow…😱
»Einsame Jungfrau mit schönen langen Wimpern, blendend weißen Zähnen und guten Manieren sucht Pascha«
LESEPROBE aus »Die ZEIT« (urheberrechtlich geschützt):
»Einsame Jungfrau mit schönen langen Wimpern, blendend weißen Zähnen und guten Manieren sucht Pascha, etwas jünger und verspielt. Kinderglück unerwünscht.« So oder ähnlich könnte die Kontaktanzeige von Elsa aussehen. »Bewerbungen bitte an das private Raubtierhaus von Gert Becker in Berlin-Pankow.« Dort wird händeringend ein zweiter Artgenosse aus der Familie der Panthera Leos gesucht.
Der ganze Artikel steht hier
Und wer’s nicht glaubt: zum ZEIT-Online-Archiv geht´s hier (Die ZEIT, 13.11.1992)
»Mit einer Löwin in einer Straße wohnen«
Ihr unverhofftes weltweites Comeback erlebte die Löwin Elsa – oder wer immer das da im Kleinmachnower Busch auch gewesen sein mag – also nun mit der Sommerloch-Sichtung einer Löwin am Stadtrand von Berlin am 20. Juli 2023, auch mit Hilfe des TAGESSPIEGELS, der meine schöne alte Geschichte aufgriff – hier nachzulesen im Checkpoint-Newsletter über »die wilden Neunziger« vom 24.7.2023, wo Chefredakteur und Berlin-Experte Lorenz Maroldt u.a. schreibt und zitiert:
»1992 berichtete Martina Miethig im Tagesspiegel und in der „Zeit“ über die kleine Elsa, die im Garten des Tierhändlers Gerd Becker in der Pankower Idastraße 23 lebte und bald 100 Kilogramm wog. Amtstierarzt Horst König befand damals: „Der Gesundheitszustand ist prächtig, sie hat sich gut entwickelt und ist ihrem Halter sehr zugetan. Auch Anwohner Thomas Graf war zufrieden: „Es ist schon was Besonderes, mit einer Löwin in einer Straße zu wohnen.“«
Nach nicht einmal zwei Tagen war der Spuk vorbei (schade eigentlich) und von BBC über El Pais bis New York Times gabs´ die Auflösung:
»Löwin auf der Flucht in Berlin: Falscher Alarm, es ist nur ein Wildschwein.«
(La Republica, Italien, hier einige gesammelte Pressestimmen)
Zu dem ganzen vom Tagesspiegel auf »mehrere 100.000 Euro« geschätzten teuren Einsatz mit über 100 Beamten, 30 Streifenwagen, Hubschrauber und gepanzertem SEK-Fahrzeug, inklusive Wärmebildkameras, Drohnen, Jägern und Veterinären hatte neben einer gehörigen Portion MASSENSUGGESTION wohl auch der »Scherz« einiger Trittbrett-Jugendlicher in Zehlendorf am Donnerstagabend beigetragen: mit Löwengebrüll aus dem Internet…
Um als Berlin-Insiderin nun endlich die weltbewegende Frage vom Anfang aufzulösen: Nein, private Raubtierhaltung ist auch in Berlin heutzutage verboten (aber eben nicht in Brandenburg – allerdings dort auch nur, wenn die Wildtiere aus der Zucht stammen).
Dit war Berlin für heute. Bleibt für heute Nacht nur zu hoffen:
»The Lion Sleeps Tonight«. . .